Hartfüssler - die Freunde von der Saar

Laufen auf besonderem Untergrund

   Hartfüsslertrail in schwierigen Zeiten 2020

 

Um manche Dinge muss man die Saarländer einfach beneiden.  Es ist eine ihrer Tugenden, das Leben etwas lockerer zu nehmen, und dadurch auch scheinbar unmögliche Dinge verwirklichen zu können. So wie die Mitglieder des Verein der Hartfüssler, die während der schlimmsten Phase der Corona Pandemie, ihre Pläne für den diesjährigen Traillauf  nicht aufgegeben haben. Bereits früh dachte  man über ein  passendes Hygienekonzept nach, das man ständig den aktuell geltenden Regelungen anpasste.  Die drei  Läufe über 14, 30 und 58 km wurden auf zwei Tage verteilt und mit Abstand zeitlich gestaffelt, gestartet. Im Start und Zielbereich galt Abstand und strikte Maskenpflicht. Bereits im Vorfeld hatte der Veranstalter über die sozialen Medien kommuniziert, das man nicht bereit ist, mit den Teilnehmern über die Hygienerichtlinien zu diskutieren.

Ungewöhnliche Distanzen über  Halden und urwaldähnliche Abschnitte geben den Strecken, die quer durch die saarländische Bergbaugeschichte gehen, einen besonderen Flair. PZ Mitarbeiter Hans Pertsch hatte sich in diesem Jahr für die kurze Strecke über 14 Kilometer entschieden. Aus eigener Erfahrung weiß er, dass hier rund um die ehemaligen Kohlegruben, Überschätzung schnell bestraft wird und so die letzten Kilometer zur Tortur werden können.  Die ersten deutlichen Hinweise was die Teilnehmer erwartet,  kommen schon nach wenigen Minuten. Knackige An- und ebensolche Abstiege auf teils rutschigen und schlotterigem Untergrund zeigen schnell Wirkung. Vor allem die Halde Viktoria, die inzwischen ein Naturschutzgebiet ist, bietet mit etwa 100 Meter Höhenunterschied ein erstes schweres Hindernis.  Hier werden selbst die lustigsten Saarländer ganz still. Nur das Keuchen der gequälten Läufer ist zu hören. Vorbei an Sprühpfeilen und Flatterbändern geht es extrem steil aufwärts. Eine Belohnung gibt es oben  am Spitzkegel.  Neben dem spektakulären Ausblick über das Köllertal wartet dort der Musikverein Riegelsberg auf die Abgekämpften um sie mit dem Steigerlied, der Hymne der Bergleute,  wieder etwas aufzumuntern.

 

Nach dem Abstieg trennen sich die Wege der verschiedenen Trails. Schmale Pfade und breite Wege wechseln sich ständig ab. Knapp 300 Höhenmeter müssen die Teilnehmer der 14 km Strecke überwinden. Nach einer Stunde und fünfzig Minuten kommt der PZ Mitarbeiter zufrieden ins Ziel. Eine schwerere Bürde haben die Teilnehmer am Sonntag zu tragen. Für sie geht es auf der 30 km Strecke über 924 Höhenmeter und beim Ultralauf über 58 km muss das Läuferfeld 1654 Höhenmeter bewältigen. Florian Höh aus Pirmasens ist einer von ihnen und läuft auf der 30er Strecke. Der Sportler vom Laufteam Pirmasens kann nicht genug von den Halden bekommen und ist ein  Doppelstarter. Denn bereits am Samstag ist er mit Partnerin Birgit auch die kurze Strecke gelaufen. 

 

Als nach 10 Stunden der letzte Läufer  das Ziel erreicht, ist Hendrik Dörr, der Vorsitzende des etwa 100 Mitglieder zählenden Hartfüssler Vereins sehr zufrieden.  Alle Teilnehmer hatten die strengen Regeln und Vorgaben respektiert und damit bewiesen, dass bei gegenseitiger Rücksichtnahme auch Laufveranstaltungen in einer Größenordnung von 600 Läuferinnen und Läufern durchaus möglich sind.

 

Hans Pertsch, September 2020

Haldenhammer 2020

Text folgt

Der Haldenmohikaner 2019

Der letzte Mohikaner gesucht

 

Jede Laufveranstaltung hat einen anderen Charakter. Aber, dass der Letzte der große Sieger ist, das ist mehr als außergewöhnlich. So aber ist es an Pfingsten bei der Premiere des Haldenmohikanerlaufs im saarländischen Göttelborn geschehen.

 

Ein Lauf um und über die Göttelborner Halde, bei dem nicht das Tempo entschied, sondern wer die meisten Runden auf der hügeligen Strecke laufen konnte. Der letzte Läufer der die 6,25km Runde mit 170 HM innerhalb der Stunde dreht, durfte den ersten Haldenmohikanerpokal entgegen nehmen. 

Die Rechnung ist ganz einfach. 25km läuft man in 4 Stunden, 50 km in 8 Stunden, 100km in 16 Stunden usw. Als Maximalziel hatte man im Vorfeld bis zu 350 Kilometern kalkuliert.

Da man pro Stunde nur 6,25km laufen musste, hörte sich die Herausforderung locker und entspannt an.  Dem war aber nicht so. So eine Kohlenhalde hat alle möglichen Untergründe zu bieten. Asphalt, Waldboden und eben je Menge Kohlenreste. Steil aufwärts und steil abwärts teilten sich ein Großteil der Strecke. Und dementsprechend summieren sich auch viele Höhenmeter.


80 Läufer hatten sich für das „verrückte“ Spektakel über die Haldenberge angemeldet. Als ältester Indianer am Start hatte der Schreiber dieser Zeilen nur das kleine Paket von maximal 50 km gebucht. Mit 4 Schlägen der traditionellen Bergwerksglocke erfolgte der Start der Haldentour. Eine Zeremonie die sich jeweils immer zur vollen Stunde wiederholte. Die bizarre Landschaft der Halden ist viel schöner als man es sich aus der Ferne vorstellen kann. Immer wieder blinzelte die Sonne durch die Wolken und verändert das triste Grau in bunteste Farben. Die ausgelassenen Stimmung unter den Teilnehmern erinnerte eher an einen Betriebsausflug, wie an einen ernsten Langstreckenlauf.  Es war ein Traum hier unterwegs sein zu dürfen. Trotzdem beschloss ich nach vier Runden und 25 Kilometern einen frühzeitigen Ausstieg. Nicht jeden Tag lassen sich die Beine zu Hochleistungen überreden.

 

Gegen Abend waren nur noch 14 Läufer unterwegs die sich mit Stirnlampen bewaffnet durch die dunkle Nacht kämpften. Um 10.00 Uhr in der Frühe war es dann so weit. Der letzte Mohikaner drehte die Schlussrunde. Es war der Elsässer Paul Moog mit satten 150 km, der nach 24 Stunden das Spektakel beendete. 

Die letzten Campingstühle wurden zusammengeklappt und das Camp unter dem großen Grubenturm leerte sich. Langstreckenläufer sind perfekt organisiert und haben alle nötigen Utensilien immer selbst an Bord wenn es irgendwo im Lande auf die langen Ultrastrecken geht.

 

Hans Pertsch Juni 2019

 

Und dann war da noch der heißeste Tag im Jahr

Hartfüsslertrail 2016

 

Für viele Menschen in der Pfalz ist das Bild vom Saarland und seinen Bürgern meist getrübt und ziemlich voreingenommen. Es gibt zwar keine wirkliches Feindbilder, aber man scheint trotzdem Welten auseinander zu liegen. Wie in so vielen anderen Bereichen macht der Sport hier wieder mal eine angenehme Ausnahme.  Zwar wird man als Pfälzer auch bei Sportveranstaltungen nicht komplett von derben Pfälzerwitzen verschont, aber diese kommen meist  sehr freundschaftlich rüber. 

So auch gestern beim Hartfüsslertrail in Saarbrücken. Martin Kölsch und Hans Pertsch starteten dort über die Distanz von 30 Kilometern, und Ihre Trikots vom Pfälzer Felsentrail ließen eben keinen Zweifel an ihrer Herkunft aufkommen.

Der Hartfüsslertrail ist mit seinen fünf Ausgaben ein recht junger Lauf aber seine Popularität ist schon so groß, dass er in diesem Jahr mit 800 Startern schon frühzeitig ausgebucht war. Die Hauptstrecken sind 58 und 30 Kilometer, wobei sich die Mehrzahl der Läufer für die "Kurzstrecke" entschieden hatte. 

Gelaufen wird größtenteils auf alten Pfaden die früher die Bergarbeiter Tag für Tag auf dem Weg zur Grube zu Fuß laufen mussten. Im  Volksmund nannte man diese Arbeiter „Hartfüssler“, was damals  wie heute ein Ehrenname in der Region ist. Seit 2012 ist der Bergbau im Saarland nur noch eine Legende. Geblieben sind alte Grubensiedlungen wie Von der Heydt und Camphausen und die bizarren Halden von Püttlingen und der Grühlingstraße von wo man bei entsprechendem Wetter eine Aussicht weit über das Saarland hinaus hat.

Wobei wir beim wichtigsten Thema des Tages wären, dem Wetter. Am Vortag des Laufes erhielt Saarbrücken den Titel des Wetteramtes, mit 37, 9 Grad der heißeste Ort Deutschlands zu sein. Sorgenfalten auf der Stirn vieler Teilnehmer sind nicht zu übersehen. Eindringlich weißt der Veranstalter mehrfach darauf hin, unterwegs ausreichend zu trinken. Wahrscheinlich hat keiner der Läufer gegoogelt was bei diesen Temperaturen sportlich empfohlen wird. Wahrscheinlich ist das Laufen über die kochendheißen Halden dort nicht aufgeführt.

Aber weder die beiden Pirmasenser Freunde noch der Rest des Läuferfeldes sind Menschen die das Risiko vorher nicht durch kalkuliert haben. Ein Blick zur Startlinie zeigt, hier stehen keine Volksläufer im Feld und auch die Ausrüstung macht klar, Trailläufer sind vorbereitet und top durchtrainiert. Trotzdem wird der Tag für viele, nicht wie zeitlich geplant ablaufen.

 

Während die 30km Truppe um 10.00 Uhr startet haben die 58 Km Läufer bereits eine Stunde Lauferfahrung hinter sich. Die teils schmalen Wege lassen einen gemeinsamen Start nicht zu.

Die Stimmung ist unschlagbar gut. Auch als es nach einigen Kilometern zum ersten Mal steil nach oben geht ist der Wortschwall der Saarländer unverändert laut. Über viele Kilometer führt der Weg durch den Erholungsraum Saarkohlenwald. Es ist schattig im Wald, aber es geht kaum ein Lüftchen und es wird langsam unangenehm schwül. Tempo machen nur noch die ganz Guten, die meisten lassen es locker angehen. Die vielen Höhenmeter die der Lauf hat kommen durch ein ständiges Auf und Ab des Weges zusammen. Ein Urwald wird durchquert in dem es keine „Reparaturarbeiten“ gibt. Das heiß, fällt ein Baum um dann bleibt er liegen. Egal wo, selbst die Wanderwege werden davon nicht verschont. Klettern ist angesagt.

 

Auf schmalen Trampelpfaden mit vielen Baumhindernissen und Bombentrichtern geht es langsam zum letzten Höhepunkt der 30er Runde. Die steile Schüttung der Halde Grühlingstraße mit seinen 100 Höhenmetern ist ein Härtetest ohnegleichen. Nicht die Schönheit der Aussicht zieht die Läufer zum Gipfel, was zählt ist der forsche Wind der dort oben bläst. Abgekühlt geht es auf dem gleichen Weg wieder runter. Die letzten 5 Kilometer ziehen sich ohne größere Höhepunkte wie ein Kaugummi dahin. Bis auf die Spitzenläufer sind viele nur noch als Wanderer unterwegs. Aber es stört niemanden mehr, jetzt geht es nur noch ums Ankommen. Die letzte Gemeinheit an diesem Tag ist eine steile Treppe kurz vor dem Ziel. Zum Glück stehen dort keine Zuschauer. Wenige Sekunden später geht ein Lauf zu Ende der zumindest unter diesen Bedingungen nur etwas für echte Hartfüssler ist. Entsprechend lautstark war die Anerkennung der Zuschauern und der wartenden Laufkollegen.

Und wie ist es den beiden Pirmasenser Läufern ergangen? Sie nannten es einstimmig ein Glücksgefühl, endlich einen Stuhl unter dem Hintern gefunden zu haben. Eine eiskalte Dusche und ein warmes Bier war der Lohn eines harten Tages. Selten wurde nach einem Lauf weniger über Zeiten gesprochen wie an diesem denkwürdigen Sonntag.

Vielleicht ist der Mut, bei diesen Temperaturen „nein“ zu sagen größer, wie einfach auf Teufel komm raus, ein Risiko einzugehen.

Auf der anderen Seite haben 800 Läuferinnen und Läufer gezeigt, dass der Mensch ziemlich leidensfähig ist und die Grenzen bei entsprechender Fitness durchaus dehnbar sind.

 

Hans Pertsch

August 2016

 

 

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