Bodensee Marathon 2009

Routine siegt über Trainingsrückstand

 

„Wie viele Marathon bist Du den dieses Jahr eigentlich schon gelaufen“ , fragte mich vor einigen Tagen mein langjähriger Laufbegleiter Martin. Meine Hand brauchte ich zum zählen nicht einzusetzen. Es war nur Einer, und zwar der in Liechtenstein. Sein hämischer Kommentar zu meiner mageren Ausbeute war wie eine Initialzündung noch einmal in diesemJahr über die 42100 Meter anzutreten.

 

Dabei war gar nicht einfach meiner Frau die Schnapsidee eines Marathons ohne große Vorbereitung zu verkaufen. „Hast Du nicht schon genug Lehrgeld bezahlt“, war das harmloseste Argument was sie mir entgegen schmetterte.
Aber mein Angebot, zwei Tage am Bodensee „Urlaub zu machen“ , war letztendlich
überzeugend. Wie kommt man jedoch über eine lange Strecke wenn entscheidende Dinge wie lange Läufe in der Vorbereitung fehlen. Marathon ist kein Tummelplatz für Selbstüberschätzung. Nach sehr reiflicher Überlegung habe ich auf meine Erfahrung und Routine gesetzt und die Anmeldung abgeschickt.

 

Die harten Marathonis rümpfen die Nase bei Einlaufzeiten über 4 Stunden. „Wanderer“ nennen Sie diese Zeitgenossen oft leicht abfällig.
Nicht desto trotz bin ich auf meine Zeit von 4:22 Std. ein wenig stolz.
Bei molliger Wärme von über 20° war mir vor dem Start schon klar, dass es wenig Sinn machen würde, mit Volldampf zu laufen.


Wie schon oben beschrieben war ich zu wenig auf meinen 13.Marathon vorbereitet. Seit Sommer drücke ich mich schon vor langen Vorbereitungsläufen und jeder Ernähungsberater würde über meine momentanen Essgewohnheiten die Hände über dem Kopf zusammenschlagen. Daher war ich auch vor dem Start ein wenig unruhiger als sonst.
Zu meinem Erstaunen hatten viele Teilnehmer den Wetterbericht scheinbar nicht gelesen. Bereits beim Hinschauen kam ich bei einigen Läufern ins Schwitzen.
Das Rennen begann auf dem schönsten Abschnitt der Strecke. Direkt am See entlang ging es 10 Kilometer lang nach Bregenz. Ein absolutes High Ligth ist das Durchlaufen der bekannten Bregenzer Festbühne.

Meine Augen blickten verdächtig oft auf die Uhr da ich dieses Mal streng einen 6.00 Minutenschnitt pro Kilometer laufen wollte.
Irgendwo bei Kilometer 18 tauchte plötzlich Gegenverkehr auf. Die Spitzengruppe befand sich schon auf dem Rückweg. Es ist immer faszinierend die flotten Beine dieser Ausnahmesportler „fliegen“ zu sehen.


Trotz mehreren Fotopausen war ich bis zum Halbmarathonpunkt minutengenau in meiner Zeit. Die vorbildliche Verpflegung auf der Strecke ließ keine Wünsche offen. Mit „Trink, Trink, es ist noch weit“ wurde man förmlich zur Getränkeaufnahme gedrängt. Und es wurde noch weit.
Sehr weit. Schätzungsweise lagen 80% der Strecke in der für die Zuschauer herrlichen Oktobersonne. Nicht jedoch für die Akteure. Mit zunehmender Streckenlänge suchten die Läufer jeden noch so kleinen Schatten.
Werde ich ab und zu von Lauffreunden wegen meiner fotografischen Tätigkeiten während eines Laufes verspottet, musste ich diese Mal feststellen, dass ich gegenüber dem Lauf – Schreib und Fotokollegen von Marathon4you ein ganz kleines Licht bin. Während ich gerade auf bescheidene 40 Fotos kam, zeigt seine Tagesbilanz stolze 250 Bildern auf.

Gespannt wartete ich auf die Zuschauer in der Schweiz. Hatten sie ihre Kuhglocken mit zur Strecke gebracht? Und tatsächlich war ab und an der vertraute Klang, den ich von vielen Schweizer Läufen kenne, zu hören.


Nach ca. 30 Laufkilometern verließ das Läufertross über einen „unbewachten“
Grenzübergang wieder die Schweiz. Nun stellte ich die ersten Ermüdungserscheinungen bei mir fest. Ohne große Vorwarnung lief es plötzlich nicht mehr richtig rund. Viel zu früh begann mein Motor zu stottern. „Noch mindestens 8 Kilometer musst Du in diesem Tempo weiterlaufen“, redete ich mir immer wieder ein.
Aber die Überquerung des Rheines fünf Kilometer später ließ mich zum ersten Mal richtig einknicken. Die letzten sieben Kilometer gingen nur noch Stopp and go. 800 Meter laufen, 200 Meter wandern.


Ein Gag der besonderen Art wartete auf alle, die noch Lust dazu hatten, im Kloster Mererau. Vom Fotografen abgelichtet gab es zwei erfrischende Becher kaltes Wasser mitten ins Gesicht geschüttet. Ob der Schnappschuss irgendwo veröffentlicht wird, habe ich leider nicht herausfinden können.


Einige die ich locker auf den letzten Kilometer überholt hatte, waren plötzlich wieder neben mir. Aber meine Gegenwehr war nur noch schwach. Ein letztes Durchatmen bei Kilometer 41, dann ging es Richtung Stadion. Noch nie in meinem „Läuferleben“ hatte ich so einen Einlauf erlebt. Ein gut gefülltes Fußballstadion applaudiert frenetisch noch einem Läufer der irgendwo auf einem Platz um die 600 seine letzte Runde dreht.
Ich war so gerührt dass ich meinen Standartsatz nach diesem Marathonlauf vor Ort nicht aussprach und nur hier schreibe. „Nie mehr tue ich mir diesen Schwachsinn wieder an.“
Aber da heute, einen Tag später, alle „Wunden“ nahezu schon wieder geheilt sind,
denke ich vielleicht noch einmal darüber nach.

 

Text und Fotos Hans Pertsch 5.Oktober 2009

 

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