Karlsruhe Marathon 2005

Die Rückkehr über den Rhein

 

Es war schon ein bisschen mehr als das normale Herzklopfen vor einem Marathonlauf das mich berührte, als ich am Sonntag die Rheinbrücke bei der Anfahrt zum Baden-Marathon überquerte.

An eine Rückkehr in meine Heimatstadt als Marathonläufer hätte ich mir noch zwei Jahren nicht träumen lassen. Mit 78 Kilogramm hatte ich vor über 30 Jahren Karlruhe in Richtung Pfalz verlassen. Vom Pfälzer Wein und dem legendärem Saumagen verführt, sahen die Jahre der Abwesenheit lange nicht nach einer sportlichen Rückkehr aus. Stolze 110 Kilogramm zeigte irgendwann die morgendliche Waage an.

 

„Mit 50 Jahren hatte ich die Notbremse mit einer totalen Umkehr der Lebensgewohnheiten gezogen. Mit 78 Kilogramm kehrte ich wieder zurück über den Rhein, wenn auch nur zu einem Marathonlauf.
„Als alter Sack, muss man schon kräftig an sich arbeiten um die 42 Kilometer überhaupt durchzuhalten“, sind die Erfahrungen der vergangenen Läufe.

Eine Zeit unter 4 Stunden waren meine Wünsche für den Lauf in der Fächerstadt.
Wenn man von der üblichen chaotischen Parksituation vor der Europahalle absieht, war es ein gelungener Tag auch wenn ich das zeitlich gesteckte Ziel um knapp 4 Minuten verpasst habe.
Strahlender Sonnenschein und ideale Lauftemperaturen waren dazu die idealen
Voraussetzungen. Meine Angst am Start von (noch) langsameren Läufern blockiert zu werden trafen nicht ein. In flottem Tempo lief man über die Durlacher Allee die ersten Kilometer Richtung Turmberg. Hier am Karlsruher Hausberg wohnten früher die reichen „Badenser“.


Ein bisschen eng wurde es danach lediglich auf dem Waldweg zum Vorort Rüppur. An den kleinen Brücken wurden dann auch die ersten keuchenden Läufer wahrgenommen. Es schien, dass so mancher diesen Lauf mit einem sonntäglichen Spaziergang verglichen hatte. Ein echtes Karlsruher Schmuckstück erwartete die Läufer in Bulach. Es war ein optischer Genuss durch diesen Ort zu laufen.

Kurz danach trennten sich die Strecken, und für die verbliebenen Marathonläufer war nun jede Menge Platz zum laufen da. Absolut frisch, und nie an ein vorzeitiges Ende denkend, hatte ich nun versucht meine sehr gute Durchgangszeit weiter
auszubauen. Ein Antrieb hierzu war auch die wunderschöne Optik entlang der Alb und das Naherholungsgebiet in den Günter Klotz Anlagen. Der langjährige und legendäre Oberbürgermeister der Stadt verlieh diesem Juwel seinen Namen. In Daxlanden hatte ich viele und schöne Jahre meiner Jugend verbracht.

 

Damals „gründete“ ich die Fußballmannschaft „FC Rheinstrandsiedlung und der Sportplatz der FV Daxlanden war mein zweites Zuhause.
So manche Hausaufgaben fielen diesen hoheitlichen Tätigkeiten zum Opfer. Ein strammer Gegenwind hatte mich spätestens in der Nordweststadt aus meinen Jugenderinnerungen gerissen.

Nun fieberte ich den Höhepunkten der Strecke entgegen. Es war ein Gefühl das
unter die Haut ging, als plötzlich das Schloss in strahlendem Sonnenschein vor den Augen auftauchte.

Auf den unendlich langen Wegen des Schlossgartens meldeten die Beine langsam ihren Unwillen an.

Mit einer Brise Magnesium gegen eventuelle Krämpfe versuchte ich wieder neuen Schwung in die Muskeln zu bringen. Ob es wirklich hilft sei dahingestellt, man muss einfach daran glauben wie an all die anderen Wundermittel die toll aufgemacht aber oft ohne Wirkung sind.
Eine verkehrte Welt im Straßenverkehr war mir in der Kaiserstraße widerfahren. Die gerade anfahrende Straßenbahn stoppte noch einmal ihre Fahrt und ließ mich die Straße überqueren.
Dankbar nicht stehen bleiben zu müssen, verbeugte ich mich für die noble Geste.
Das Ende der Spaßtour ereilte mich nach der Überquerung des Stadtgartens schon ziemlich nahe vor dem Ziel.

Wie in Trance muss ich durch Beiertheim , dort wo ich im Garten meines Opas viele Kindertage verbrachte, gelaufen sein. Es fehlen einfach die Erinnerungen an diese
Passage des Laufes.
Für einen Nichtläufer ist es nicht nachvollziehbar was für körperliche und seelische
Reaktionen gerade zum Ende eines Laufes wie ein Blitz beim Läufer einschlagen können.
Von einem Moment auf den Anderen ist die Luft raus und Planvorstellungen brechen wie ein Kartenhaus zusammen. Erst auf den letzten Metern des Laufes schließt sich der gerissene Film meistens wieder zusammen. So auch bei mir am Zielstrich vor der Europahalle. Erst zerknirscht wegen der „vierminütigen Nachspielzeit“ dann aber doch glücklich einer Leistung die zu oft belächelt und zu wenig gewürdigt wird.


Ich kann es nicht oft genug wiederholen „ Menschen die nicht das Talent und die Förderung eines Spitzensportlers genießen, und aus freien Stücken die eigenen Grenzen ausloten und bereit sind, diese auch zu überschreiten, dürfen auf ihr Erreichtes stolz sein.“
Ein kleines Häufchen edler Fans sind mir auch nach langer Abwesenheit von der Stadt Karlsruhe doch noch geblieben. So standen einige Verwandte und Freunde am Sonntagmorgen interessiert an der Strecke. Mögen wir uns auch nicht begegnet sein, weil sie am falschen Platz warteten oder ich zur falschen Zeit dort auftauchte wo man mich nicht vermutete, es war schönes Gefühl zu wissen, in der großen Läuferschar gesucht zu werden.

 

Hans Pertsch 19.September 2005

 

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