Luzern Marathon 2008

Zwei Runden am Vierwaldstättersee

 

Vor dem Lauf


Dienstag 21.Oktober

Wieder einmal wird mir klar, dass mich viel mehr als nur die Zeit, von erstklassigen Marathonläufern unterscheidet.
Meine Vorbereitung ist einfach mangelhaft. Zufrieden bin ich nur mit meinen langen Läufen am Sonntag. Hier bin ich meistens vorbereitet und auch halbwegs ausgeruht. Was sich jedoch unter der Woche abspielt, ist in der Regel chaotisch.

 

Von der Plattensäge direkt in die Laufschuhe oder Trainingsläufe bei Nacht und Nebel sind zur Zeit nahezu Normalfall. Auch die vielbeschworene gesunde Ernährung leidet im Moment zusehend. Ein Häppchen hier, ein Schokolädchen dort lassen die Fettwerte hochleben.


Wenig Schlaf und harte Arbeit zären zusätzlich an meinem Wohlbefinden.
„Da musst Du durch“ würde mein Freund Martin mit einem Grinsen im Blick auf mein Wehklagen hier antworten. Und recht hätte er; „Jeder ist seines Glückes Schmied“, sagt schon ein altes Sprichwort.
Ein Handicup jagt das Andere. Heute wurde bekannt, dass am Samstag der Kartenvorverkauf von Metallica beginnt. So kann ich meine Urlaubsankündigung für Samstag wieder abhängen.
Die Fahrt nach Luzern wird wohl auf Mittag verschoben.

Samstag 25.Oktober

 

"Du hast noch einen Essenswunsch frei" meinte Frau am Abend vor der
Abfahrt. Natürlich war damit keine "Henkersmahlzeit", sondern ein leckeres Nudelessen gemeint. Und es hat so gut geschmeckt wie es aussieht.


Am Samstagmittag war es dann soweit. Wir machten wir uns bei herrlichem Wetter auf den Weg in die Schweiz.
Als Strecke hatten wir die Route über Frankreich ausgewählt. Für Autofahrer die "freie Fahrt" lieben, sind die Autobahnen in Frankreich und der Schweiz aber wie Zwangsjacken. Tempo 120 sorgt nicht nur für Langeweile, sondern auch für Frust. Nach 3 ½ Stunden haben wir Luzern dann trotzdem erreicht. Die Sonne hatte sich zwischenzeitig verabschiedet. Eine der schönsten Schweizer Städte lag im Nebel der auch bis Sonntagmittag anhalten sollte.

 

Luzern

Seit vielen Jahren bin ich ein absoluter Fan der Schweiz. Die Landschaft ist herrlich die Menschen ehrlich und freundlich. Dies schlägt sich auch auf meine bisherigen Marathons nieder. Von 11 Läufen bin ich 3 mal in der Schweiz gestartet. Und es sollen weitere folgen.
Da der Franken zu den Siegern der Wirtschaftkrise gehört ist sein Wert in den letzten Monaten enorm gestiegen. Für preislich verwöhnte Provinzler wie mich sind daher manche Angebote leichte Schocker.
Die Stadt Luzern und der Vierwaldstätersee sind eine Augenweite. Obwohl ich nur zu Fuß unterwegs bin, stören mich die vielen Parkverbotsschilder. Ich glaube in
Luzern wurden mehr Abschleppandrohungen aufgehängt wie man über Einwohner verfügt.
Entschädigt werden die Besucher aber mit den vielen Sehenswürdigkeiten in der Stadt. Die nach einem Großfeuer wieder errichtete alte Holzbrücke ist das Hauptmotiv aller Fotobegeisterten. Von dort sind es nur wenige Meter in die Altstadt. Dort reihen sich Boutiquen aller führenden Modemarken nebeneinander und aus den Restaurants zieht der Duft des Schweizer Raclette durch die
schmalen Gassen und fordert zum Verzehr auf. Nur Marathonis sollten vor dem Lauf auf diese Genüsse verzichten.

 

Der Lauf


Bereits vor einem Jahr bei der Premiere des Lucerne Marathons hatte ich mit einem Start hier geliebäugelt. Ich hatte es verworfen, weil ich mich mit dem Gedanken zwei identische Runden zu 21 Kilometern laufen zu müssen, nicht anfreunden konnte. Nun stehe ich ein Jahr später unter gleichen Bedingungen trotzdem an der Startlinie am Vierwaldstätersee. Es ist frisch an diesem Sonntagmorgen.


Nur die Körpertemperaturen der 8000 Läuferinnen und Läufer bringt ein Hauch von Wärme. Apropos Läuferinnen - die Schweiz scheint ein riesiges Arsenal hübscher weiblicher Wesen in seiner Zunft zu haben. So macht selbst das Warten auf den Start Spaß.
Inzwischen habe ich Foto und Marathonleidenschaft miteinander gepaart. Einerseits dient es perfektes Alibi für fehlende Minuten bei der Zielankunft, andererseits hält man Eindrücke fest, die kein zweites Mal passieren.


Die ersten Kilometer gehen auf einer Promenadenstraße entlang des Vierwaldstätersees.
Vier Mal werden die Marathonläufer hier durchlaufen, von Mal zu Mal schleppender, zumindest was meine Person betrifft.
Einen nachhaltigen Eindruck hinterließ der Sportartikelhersteller Asics. Auf weichen Teppichboden schweben die Läufer wie über dem Boden.
Von wegen flacher Marathon. Bei Kilometer 6 und Kilometer 9 warten zwei kurze und knackige Steigungen auf die Läufer. Nichts furchterregendes, aber spätestens in der zweiten Runde müssen einige Läufer dort Federn lassen. Als Kind der Berge komme ich dagegen ohne größere Probleme davon.


Dräksak - Bei uns ein weitverbreitetes Schimpfwort, hier beim Lucerne Marathon ein Symbol für Umweltfreundlichkeit. Nicht jeder Läufer hat die Zielsicherheit mit seinem Becher getrunken, aber
viele setzen Treffer, und helfen so mit, die Straßen sauber zu halten.
Musik rund um die Strecke hatte der Veranstalter angekündigt. Und tatsächlich! Guuggenmusig, Blues, Dixi und Blasmusik sind allgegenwärtig und sorgen für Antrieb wenn es einmal nicht ganz so gut lief. Ebenfalls vorbildlich die Verpflegung, diese vielleicht sogar überproportioniert. Noch bei keinem Marathon habe ich erlebt dass auch die 4 Stunden + Läufer noch so perfekt versorgt worden.
Die Lauftemperaturen sind nahezu ideal. Für das Auge fehlt leider die Sonne. Der Vierwaldstätersee bleibt lange im Dunst, der Luzerner Hausberg Pilatus zeigt nur einmal kurz seinen Gipfel, zu kurz um meine Kamera in Stellung zu bringen. Nur die Spätankömmlinge werden in den Genuss der Sonne kommen.
Es ist verwunderlich, dass bereits früh morgens so viele Menschen Zeugen des 2. Lucerne Marathons sein wollen. Nicht nur in der Innenstadt sondern auch unterwegs an Kreuzungen, in Schrebergärten und entlang des Seeufers jubeln uns die Menschen begeistert zu.
Zwei gleiche Runden mit 21 Kilometern. Nein danke, damit bin ich nicht glücklich.
Beim Betrachten der Kilometerschilder der zweiten Runde werde ich schon im ersten Durchlauf schwermütig und Selbstzweifel befallen mich. "Noch einmal die gleiche Strecke, die gleiche Landschaft die gleichen Menschen,die gleichen Zurufe" geht mir permanet durch den Kopf. Ich überlege zwischenzeitig ersthaft beim Halbmarathon auszusteigen. Kurz vor der Wendemarke werde ich aus einer Gruppe von Landsleuten mit "Deutschland, Deutschland" Rufen wieder richtig
aufgerichtet.

Denn ich stehe bei diesem Lauf besonders im Focus der Menschen. Nicht weil ich ganz vorne laufe oder sonderlich berühmt bin, nein es macht alleine mein Outfit. Mein Laufshirt in leuchtendem Schwarz Rot Gold sticht aus der Menge der Läufer heraus. Dieses Kleidungsteil ist nahezu einmalig.
Warum auch immer, diese Art von Laufkleidung wird in Südafrika hergestellt, und ist auf dem deutschen Markt nicht erhältlich.

Mit „ hurtig, hurtig Duutscher“ werde ich permanent angetrieben.

 

Die letzte Phase des Laufes wird zum Laufsteg. Auf Teppichboden laufe ich nach 4:11 Minuten über die Ziellinie.
Die blauen Ballons am Himmel werden nicht lange alleine sein. Gleich werden die letzten Wolken verschwinden und ein azurblauer Himmel zum Vorschein kommen. Der Veranstalter, die Läufer und auch die Zuschauer können zufrieden sein. Mit der sprichwörtlichen Schweizer Präzision geht eine gelungene Veranstaltung zu Ende.

 

Nachbetrachtung


Und wo habe ich nun meine 20 Minuten verloren? Nein, nein „Berge“ und fotografieren sind schlechte Argumente. Und auch mein Trainingsplan kann nicht die Ursache sein.

Denn dieser entstammt der Feder oder besser gesagt dem Computer vom Luzerner Marathonbotschafter Viktor Röthlin höchstpersönlich.
Die alten Schuhe, die ich im letzten Moment noch einmal gegen die Neuen ausgetauscht hatte passten wie angegossen und die oft belächelnden Kompressionstrümpfe verhinderten die gefürchteten Wadenkrämpfe. Das bisschen Ischias und die sonstigen "Alterserscheinungen "machen die
Zeitdifferenz nicht wirklich aus.
So bleibt nur die Tatsache, dass es an diesem Tag einfach nicht sein sollte.
Auf der Langstrecke kann man seinen Körper nicht belügen. Wenn die Kraft fehlt nützt auch der stärkste Wille nichts mehr.
Irgendwann werde ich die Marathonschuhe wieder schnüren und erneut angreifen oder zumindest das Erreichte verteidigen.


Der Mensch ist kein Überflieger und sollte deshalb mit Geist und Beinen auf dem Boden bleiben.

 

© Text Hans Pertsch 27.Oktober 2008

Druckversion | Sitemap
© Hans Pertsch