Paris schmerzhaft anders

Paris im Dezember 2015, oder wegbleiben ist keine Lösung

 

Wie kann man denn momentan nur nach Paris fahren.  Widerstand von meiner Frau, eine besorgte Familie und wenn ich ehrlich bin, auch ich hatte ein bisschen kribbeln im Bauch.
Dabei bin ich weder lebensmüde noch sensationshungrig , etl. vielleicht ein bisschen neugierig.


Als Kind des kalten Krieges bin ich mit der Bedrohung des Bösen groß geworden. Man lehrte mir, dass ich auf der Seite der Guten stehe und ich fing an die Gesellschaft des freien Wortes und die Stätten der bunten Lichter zu lieben und zu schätzen.
Im Laufe der Zeit hat das Gesicht des Guten zwar so manche heftige Delle bekommen, aber trotzdem ist unsere Lebensart die Einzige die ich mir vorstellen kann.


Trotz allem optimistischen Denkens hat mein Puls doch ein paar Takte höher geschlagen,  als der ICE nach Paris im Saarbrücker Hauptbahnhof einfuhr. Zu meiner großen Verwunderung stellte ich fest, dass weder Polizei noch Grenzschutz sichtbar Interesse an unserem Zug hatten. Ich hatte mir schwer vorgenommen, nicht nach Terroristen Ausschau zu halten. So sehr ich mich auch mühte, der eine oder andere kam mir trotzdem höchst verdächtig vor.
Nach einem Kaffee bei über 300 Stundenkilometern war die Urlaubsvorfreude rasch wieder zurückgekehrt.
Noch mehr überrascht war ich bei der Ankunft in Paris. Obwohl gerade der Weltklimagipfel begonnen hatte, war auch auf den Straßen der französischen Hauptstadt keine übermäßige Polizeipräsenz zu sehen.


Nach einem Kaffee bei über 300 Stundenkilometern war die Urlaubsvorfreude rasch wieder zurückgekehrt. Noch mehr überrascht war ich bei der Ankunft in Paris. Obwohl gerade der Weltklimagipfel begonnen hatte, war auch auf den Straßen der französischen Hauptstadt keine übermäßige Polizeipräsenz zu sehen.

 


Beunruhigt haben mich dagegen eher die blutjungen Militärsteifen. Einige von Ihnen schienen mir noch ziemlich grün hinter den Ohren. Zur Beruhigung der Menschen hat man sie schwerbewaffnet auf die Straße geschickt. Schweigend und mit grimmigem Blick ziehen sie ihre Runden. Hoffentlich haben sie und ihre Maschinengewehre gute Nerven, wenn irgendwo in einer Ecke mal ein Moped zu laut knattert.

 

Während auf dem Weihnachtsmarkt entlang der Champs Elysees entspanntes Treiben herrscht ist das Bummeln und Shoppen in den Edelgeschäften dieser Straße durch Kontrollen an den Eingangstüren sehr nervig. Massivste Kleiderschränke stellen sich als unüberwindbare Hindernisse jedem Einkaufswilligem in den Weg.
Als ungeduldiger Deutscher bin ich schon sehr verwundert, mit welcher Geduld die Franzosen dieses Prozedere über sich ergehen lassen. „Verdammt noch mal“, denke ich, gibt es denn hier keine Drängler und Stänkerer? Ich stelle mir vor was passieren würde, wenn bei  uns zuhause morgens um 8.00 Uhr die Rentner beim Aldi durch eine Sicherheitsschleuse müssten. Nicht mal als Geck würde man sich so etwas wagen.

 

Keinerlei Hektik ist auf dem Weihnachtsmarkt zu finden.  Obwohl die Temperaturen alles andere als weihnachtlich sind flutscht es an den Glühweinständen als gäbe es kein morgen mehr. An den „Schnäppchenpreisen“ kann es kaum liegen, denn die kleinste Bechereinheit schlägt schon mit vier Euro zu Buche. Elf Monate im Jahr beschwert man sich über zu warmen Wein, hier verbrennt man sich die Lippen, und ist noch fröhlich dabei.

 

Preise scheinen auf Weihnachtmärkten grundsätzlich eine untergeordnete Rolle zu spielen. Die Stimmung hebt die Ausgebenslaune. Wie überall auf der Welt bestimmen Bratwurst, Glühwein, Zimtsterne, Zipfelkappen und Weihnachtkugeln das Angebot. Trotzdem ist der  „Paris Village de Noel“ etwas ganz besonderes.

Und das nicht nur wegen seiner Länge. Nur wer gut zu Fuß ist, wird die je zwei Kilometer rechts und links der Boulevardstraße mit Freude abschreiten können.

Wer aber durchhält sieht etwas nichts Alltägliches. Wenn abends die Sonne zwischen den Häuserschluchten langsam untergeht vermischen sich die Scheinwerfer hunderter Autos mit den Lichtern der unzähligen Weihnachtbäume entlang der Straße. Es entsteht ein Lichtermeer das gewaltig unter die Haut geht.

Trotz des Höllenlärms auf der Straße sind die Klänge von „stille Nacht, heilige Nacht“ nicht zu überhören. Viele Menschen bleiben einfach stehen und lauschen den Tönen der Weihnachtsmusik. Kaum einer eilt hier rastlos an den Ständen vorbei. Man hat das Gefühl viele suchen hier die Gemeinschaft. Keiner kennt den Anderen, aber dennoch ist man sich nah. Zwischen dem Riesenrad am Place de Concorde und Arc de Triumphe herrscht eine wärmende Weihnachtstimmung.

 

Es wird Nacht und der Franzose verspürt Hungergefühle. Es ist immer wieder eine Augenweite die Menschen in Paris beim Essen zu beobachten.  Keine Hetze,  keine Eile nur ganz einfache Lebensfreude. Man trifft sich mit Freunden, rückt die Tische zusammen, bestellt gemeinsam den Wein und teilt brüderlich die unterschiedlichsten Speisen.
Franzosen essen genüsslich und langsam. Man kommt niemals auf die Idee, ein Essen ohne einen tiefschwarzen Espresso zu beenden. Der Wirt hält sich im Hintergrund und lässt dem Gast alle Zeit der Welt. Bezahlt wird meist erst spät in der Nacht, und der Besucher geht mit der Überzeugung nach Hause, dass ein schöner Abend auch einen guten Preis haben darf.


Vielleicht habe ich nur Glück bei meinen Begegnungen oder ich wollte es einfach nur so sehen. Jedenfalls hatte ich den Eindruck, dass der Gast jenseits des Rheines neuerdings ganz gern gesehen wird. Obwohl die Verständigung bei mir immer noch Muskelkater in Händen und Füßen verursacht, bemüht man sich allerorts um Hilfestellung. Sogar Ansagen in der Metro habe ich mit großer Verwunderung in Deutsch gehört. Sensationell.  Die Grande Nation lässt in ihrer Hauptstadt eine zweite Sprache zu. Für alle alten Nörgler der reinste Affront.

 

Mein persönliches Highlight in Paris ist weder der Eifelturm noch die Mona Lisa. Mich zieht es in den Untergrund. Ich liebe die Metro. Sie ist das Herzstück der Stadt, ohne die U-Bahn würde im Herzen von Paris jegliches Leben zusammenbrechen.

An den zentralen Punkten der Metro liegen die Tunnelschächte oft  mehrfach übereinander was weite Wege und schier endlose Labyrinthe mit vielen, vielen Stufen bedeutet. Für Fußkranke und Menschen mit schwerem Gepäck ist es eine Herausforderung, für Behinderte ist am Eingang meist die Endstation.

Ja für mich ist es ein Spaß einer von vier Millionen Menschen zu sein, die täglich in der Metro unterwegs sind. Nirgendwo wird Multkulti so real gelebt wie in den Katakomben der Unterwelt. Auch wenn die meisten Fahrgäste wohl Einheimische sind, können Aussehen und Kulturen kaum unterschiedlicher sein. Friedlich wie die Lämmer stehen sie zusammen, viele spielen auf ihrem Handy, manche diktieren Briefe in ihren Laptop.

 

Auch das gute, alte Buch lebt immer noch. Die eine Hand klammert an der Haltestange, die andere hält das Buch. Die dazugehörende Madame scheint ein Leseprofi zu sein und blättert mit dem kleinen Finger geschickt die Seite um. Obwohl der Wagon ziemlich ruckelt muss sie den Text trotzdem verstehen denn sie lacht plötzlich laut auf. Im nächsten Moment steigt sie bereits wieder aus der U Bahn aus, in Ihrem Buch ist sie ganze zwei Seiten weitergekommen.

 

Vor lauter Beobachtung versäume ich beinahe selbst den Ausstieg. Aber auch das wäre im  ausgeklügelten System der Metro kein Problem. Solange man unten ist, kann man in alle Richtungen fahren.

 

Ich wähle den Ausgang bei der Galeries Lafayette weil auch meine Frau eine Wunschliste für Paris hat. Und dieses Kaufhaus steht ganz oben in dieser Liste. Hier riecht es nicht nach Lebkuchen.

Eine Mischung aus Chanel, Escade und StellaMcCartney schlägt den Besuchern entgegen.

Ich bin kein Kenner der Materie, aber ich glaube nicht dass es Dufttöne auf der Welt gibt, die hier nicht erhältlich wären. Hier gibt es sogar eigens einen Shop für Japaner in deren Sprache und Währung.

Wer kein bestimmtes Ziel hat wird von einem giganischen Überangebot erschlagen.

„Schön, toll, teuer“, höre ich immer wieder meine Frau seufzen. Wir schlendern durch alle Stockwerke. Anders als in der Metro sind wir hier per Rolltreppe unterwegs. In diesem Jahr verlassen wir das Kaufhaus ohne jeglichen Einkauf. Leider nichts passendes gefunden.

Wem so etwas noch passiert, für den habe ich noch ein Geheimtipp. Denn in Paris kann man nahezu alles noch steigern.

In der Avenue George V., eine Seitenstraße der Champs Elysees, haben alle großen Modelabels eigene Geschäfte. Von außen eher unscheinbar verbergen sie in ihrem Inneren die Modeschätze der Crème de la Crème. Man kauft nach Aussehen und nicht nach dem Preis.

Zumindest diese Erkenntnis habe ich mitgenommen.
Die Frau von Welt trägt in diesem Winter wieder einen Minirock. Damit die Winterkälte den hübschen Beinen nicht schadet, hüllt ein langer Mantel den Körper ein. Der Stiefel endet knapp unterm Knie, der farbenfroher Schal und ein dem Mantel angepasster Hut, runden den Pariser Flair ab.

Aber eines habe ich immer noch nicht heraus bekommen. Wo haben die Franzosen ihre Dicken versteckt? Ich glaube hier in Paris hören bei Größe 36 die weiblichen Konfektionsgrößen abrupt auf.

 

Was mir sonst noch so einfällt: 


Die Wahl meines Hotels fiel nach geographischen Leitgedanken. Zwischen Pigalle und Montmartre. Ein Volltreffer für Menschen die gerne mitten drin sind. 
Schlecht für Fußkranke, denn es geht nur auf und ab, und dazu meistens über Kopfsteinpflaster. Das schlaucht gewaltig. Vorteil,  die eigenen Lichter gehen abends vor den Rotlichtern aus.  Schont die Urlaubskasse.


Habe mir im Vorfeld lange überlegt,  ob ich die Attentatsorte besuchen soll.  Gemeinsam mit meiner Frau haben wir entschieden es nicht zu tun. Finde, so ein Ort ist kein Ausflugsziel. Trauer kann auch an anderen Stellen stattfinden.


Wieder einmal habe ich den Eiffelturm nicht erklommen.  Dabei waren die Warteschlangen noch nie so klein wie dieses Mal. Mein lädiertes Knie war eigentlich mit den 250 Stufen des Triumphbogens schon mehr als überfordert.  Aber ich verspreche,  beim nächsten Besuch ist er fällig.

 

Also dann, au revoir bis zum nächsten mal, et Joyeux Noël

Hans Pertsch 

2. Dezember 2015

 

 

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© Hans Pertsch