Damals in Amerika

Mit flauem Gefühl über riesige Orangenplantagen 

Hans Pertsch über seinen Erstflug im Para-Planing • Arizona aus der  Vogelperspektive

.Man schrieb das Jahr 1891. Ein gewisser Otto Lilienthal, der von seiner Umwelt als Verrückter bezeichnet wurde, erfüllte sich einen uralten Menschheitstraum. Mit seinem selbstgebauten Gleitflugzeug setzte er zum Erstflug an und gab damit Richtlinien in der Aerodynamik, die bis zum heutigen Tag Bestand haben.

Ja, der alte Traum der Menschen, einfach in die Luft zugehen, wie ein Vogel zu schweben, die Gesetze der Erdanziehung zu umgehen, dieser Wunsch ist geblieben. Ich wollte aber nicht länger träumen, ich wollte endlich selbst einmal in die Luft gehen. Was lag also näher, wie sich Weltenbummler Joachim Reinhardt an- zuschließen, dessen Reisebüro seit geraumer Zeit die USA-Sensation Para- Planing anbietet. Geflogen wird im US- Staat Arizona. dort also, wo der Winter ein Sommer ist. Para-Planing ist eine Kombination zwischen Fallschirm und Fluggerät. Aber was soll ich Ihnen viel erzählen. Fliegen Sie doch einfach bei meinem Erstflug mit:

Der Thermometer im sonnigen Arizona steht auf über 25 Grad. Ein flaues Windchen zeigt an, dass heute ideales Flugwetter ist. Ebenfalls flau ist das Gefühl, das im Moment durch meinen Magen geht. In wenigen Minuten soll ich dort oben sein, dort, wo angeblich die grenzenlose Freiheit ist. Mike, unser Fluglehrer, kennt wohl alle meine Gedanken. Vor wenigen Stunden habe ich die Theorie studiert, Filme gesehen, Fragebogen ausgefüllt, aber nun soll es wirklich ernst werden. Ich höre seine Anweisungen, versuche sie mir einzuprägen, aber meine Gedanken sind woanders, nämlich einige 100 Meter über mir. Seine Frage ,,Alles klar" beantworte ich mit einem resolutem Kopfnicken. Während ich mir den Sicherheitsgurt umstreife, höre ich neben mir jede Menge aufmunternde Sprüche meiner Flugkollegen. die alle „meinen Tag" schon hinter sich haben.

..Können wir starten," höre ich über den Kopfhörer. Mike's Stimme wird in den nächsten Minuten das einzige sein, was ich außer meinem Herzschlag hören werde. Beim Aufheulen des zweiten Motors wird mir klar, dass es nun kein zurück mehr gibt. ..Langsam Gas gehen, mehr, mehr, dann Vollgas, nur noch Vollgas", rauscht es durch das Funkgerät. Dann ist es soweit. Nach 30 Metern spüre ich, wie sich der Boden unter mir entfernt. Erst ein Meter, dann zehn, dann fünfzig, es ist ein unbeschreibliches Gefühl, die Welt von oben zu sehen. „Alles klar" fragt mich mein Fluglehrer von unten. „Alles klar!" antwortete ich zurück, halb glücklich, halb ängstlich. So, nun die erste Linkskurve, noch eine Linkskurve, dann eine Rechtskurve, inzwischen fliege ich mit reduzierter Geschwindigkeit in 100 Metern Höhe über die weiten Felder Arizonas. Langsam beruhigt sich mein Pulsschlag, die Nervosität geht in die Freude über.

..Wem ist es schon gegönnt". frage ich mich, „die Welt aus dieser Perspektive zu sehen.“ Mike reißt mich aus meinen Träumen: „Dreh noch ein paar Runden, dann landen wir". Ich fliege über Orangenplantagen, vorbei an einsamen Ranchen, durch die riesigen Weiten des Wüstenstaates. Die Welt aus der Vogelperspektive, eine neue, faszinierende Welt. „Hans, wir gehen runter" höre ich Mike's Kommando über den Kopfhörer. In einer langen Schleife sinke ich dem Erdhoden, den ich so liebe, entgegen. Jetzt geht es ganz schnell, rasend kommt die Erde auf mich zu. Ein kleiner Schlag, Motor aus, Fallschirm anziehen, Stillstand. Klasse Hans. Herzlichen Glückwunsch", sind Mike's letzte Worte über Funk.

Freudestrahlend beglückwünschen mich sämtliche Flugkollegen zum erfolgreichen Erstflug. Jetzt bin ich einer von ihnen. Zur gleichen Zeit macht sich der Rodalber Architekt Dieter Mannik bereit, um seinem Erstflug zu starten. Keiner kann wohl besser nachempfinden wie ich, was nun in ihm vorgeht. Als auch sein Flug mit gelungener Landung zu Ende ging da huscht ein Lächeln durch Veranstalter Joachim Reinhardt's Gesicht. Die Region Pirmasens hat nun zwei neue Para- Planingflieger mehr.

Bericht im Blickpunkt Pirmasens Februar 1989

Ich danke meinem Freund, Hans Joachim ganz herzlich für seine damalige Beharrlichkeit, mich auf diese einmalige Reise mitzunehmen.

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© Hans Pertsch