Altkleider

Es gibt Botschaften, die dafür sorgen können, dass auch in den besten Ehen mal dunkle Wolken aufziehen. Eines dieser Schreckensszenarien passiert bei uns des Öfteren, wenn im Briefkasten lose Blätter auftauchen, die zu Altkleidersammlungen aufrufen. Bin ich nicht schnell genug, diese Mitteilungen rechtzeitig verschwinden zu lassen, dann ist die Verfärbung des Himmels vorprogrammiert. Denn auf dem besagten Zettel stehen auch Dinge drauf, die das Wort „Altkleider“ einfach nicht verdienen. Ich bin ja sehr großzügig was Hemden, Hosen oder Jacken betreffen, aber bei meiner Sportkleidung kann ich nirgendwo einen echten Verschleiß feststellen. Vielleicht auch deshalb nicht, weil viele Stücke nur sehr wenig getragen wurden.

Ein in Schweiß gebadetes Laufshirt, das dokumentiert auf den höchsten Deutschen Berg getragen worden zu sein, zieht man schließlich nur an höchsten Feiertagen noch einmal an. Gut, im Laufe der Jahre sind es eben viele Souvenirs dieser Art geworden, aber das ist ja noch lange kein Grund, sich würdelos von ihnen zu trennen. Spürbar ist das beiderseitige Herzklopfen wenn der Satz „Ich habe schon mal vorsortiert“, fällt. Dann ist die Entscheidungsschlacht vor dem Kleiderschrank nicht mehr aufzuhalten. Von knapp 60 heldenhaften Lauftrikots hat meine Frau mit den unterschiedlichsten Argumenten, 8 Stück aussortiert. Ein Aussitzen der Angelegenheit ist nicht mehr möglich, denn auf der Botschaft des Einsammlers steht, dass der Beutel schon heute Nacht vor der Türe stehen soll. Schweren Herzens verständigen wir uns auf vier Teile, von denen ich mich, unter uns gesagt, leicht trennen konnte. Aber das werde ich nie zugeben.

 

Hans Pertsch Mai 2022

bezahlter Link

bezahlter Link

Druckversion | Sitemap
© Hans Pertsch