Michaels Hunger auf  Grillen

Pertschfoto Michaels Hunger auf Grillen

Michaels Aufschrei war riesengroß. Seit Ende Januar ist in Deutschlands Küchen nichts mehr so wie es einmal war. Die Hausgrille, wenn auch nur in Pulverform, steht vor der Tür und bittet um Einlass. Aber ganz egal wo man hinhört, keiner will sie reinlassen. Dabei haben sich die meisten heimischen Küchenchefs noch gar nicht wirklich mit der Ernährungsvariante der Zukunft beschäftigt. Grund genug für Michael, zumindest kurzfristig einmal den eigenen Speiseplan zu ändern. Die Neugierde ist größer als die Skepsis. Was man nicht selbst probiert hat, kann man nicht beurteilen, sagte schon Michaels Mutter. Aber sein Eifer wurde schnell gebremst. Wo bekommt man zum Beispiel Nudeln, bei denen Pulver von Hausgrillen oder anderen Insekten beigemengt sind.

 

Die hiesige Wasgau AG erklärte ihm telefonisch, dass diese Produkte momentan noch kein Thema für ihre Märkte sind. Auch ein Besuch bei Kaufland bringt ihn nicht weiter. Freundliche Mitarbeiter wollen ihm zwar helfen, aber deren Rückfragen bei der Geschäftsleitung, lassen ihn ohne die neuartigen Nudeln heimkehren. Erst ein Blick ins Internet bringt Michael weiter. Ein Hersteller aus dem schwäbischen Albstadt, der ihn freundlich als Pionier bezeichnet, hat sich auf „Insectfood“ spezialisiert. Mit einer eigenen Grillenfarm will er die Tierchen „Made in Germany“ hoffähig machen. Auch wenn der Preis zur Zeit noch jenseits von Gut und Böse ist, bestellt Michael ein Probierpaket der neuartigen Teigwaren. Wenige Tage später kann er bereits die Kochschürze anziehen. Drei Päckchen „High Protein Pasta“ in den Geschmacksrichtungen Tomate, Steinpilz und Natur liegen vor Michael. Optisch sind sie von herkömmlichen Vollkornnudeln kaum zu unterscheiden.

Aber wie schmecken sie? Die Kochschürze hat Michael inzwischen an seine Frau als Küchenchefin weitergegeben. Auch sie hat sich bereit erklärt, die „Herausforderung“ anzunehmen. Knapp 10 Minuten später steht das Ergebnis auf dem Tisch. Nach zwei Gabeln der Skepsis und Überwindung sinkt sein Blutdruck wieder deutlich auf Normalmaß. Der Geschmackstest fällt im Großen und Ganzen positiv aus. Wer gerne Vollkornnudeln isst, dem wird auch das „Insectfood“ aus Dinkel und Grillenmehl schmecken. Um in seiner Aussage noch sicherer zu sein, hat Michael zum direkten Vergleich Bio Nudeln aus der gleichen Weizenart „Dinkel“ besorgt. Am Abend liegt die umstrittene Pasta auf einem Teller zusammen mit den herkömmlichen Nudeln. Beide Sorten stammen übrigens aus dem Schwabenland. Und die verstehen bekanntlich die Kunst im herstellen von Teigwaren. Zwar gibt es zwischen den beiden Sorten kleine Geschmacksunterschiede, aber Michaels Gaumen kann sich nicht für einen Sieger entscheiden. Spätestens nach der Zugabe einer hausgemachten Pilzsoße schmecken beide gleich lecker.

Pertschfoto Michaels Hunger auf Grillen

Und was für ein persönliches Resümee zieht Michael aus dem angeblichen Lebensmittel der Zukunft. Er ist ein bisschen hin und hergerissen. Leckere Nudeln in unzählbaren Variationen füllen heute schon meterweise Regale. Ob sich da die High Protein Pasta durchsetzen kann? Was Insekten als Lebensmittelzugabe trotzdem interessant machen, sind ihre inneren Werte. Insekten sind in der Regel proteinreich, gelten als gute Quelle für die essenziellen mehrfach ungesättigten Omega-3-Fettsäuren und sind reich an B-Vitaminen und Mineralstoffen. Sie stellen somit eine alternative Proteinquelle dar. Außerdem können Insekten in Sachen Nachhaltigkeit punkten, da ihr essbarer Anteil mit ca. 80 Prozent höher liegt als der von Nutztieren wie Rindern oder Schweinen. Zudem brauchen sie in der Haltung viel weniger Platz, Futter und vor allem Wasser.

 

Aber die entscheidende Frage wird sein, ob die kommende Generation bereit sein wird, den Weg der Nachhaltigkeit auch in diesem Sektor ernsthaft zu gehen? Auch dann, wenn die Kochbücher der Gegenwart, alle umgeschrieben werden müssen. Denn die EU-Zulassung für Insekten war erst der Anfang der Revolution. Längst werden in Labors weltweit Schweine und Rinder „nachgebaut“, die keinen Stall und keine Weide mehr brauchen werden. Es wird spannend, für Mensch und Tier gleichermaßen. Natürlich auch für Michael.

 

Hans Pertsch

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