Muskelkrämpfe lassen Wunschzeit platzen. Kein Glück im Westen
Nach dem Ruhrmarathon auch den Kölnmarathon verpatzt.
Kaiserwetter am Rhein und Stimmung wie im Karneval. Laut Veranstalter sollen mindestens 750 000 Zuschauer an der Straße gestanden sein die den 10500 Läufer lautstark in
typischer Kölscher frohgemut Mentalität Beifall bekundeten.
Viele der euphorisch gestarteten Läufer hatten die herrlich strahlende Oktobersonne wohl aber unterschätzt und kamen abgekämpft und erschöpft im Ziel an.
Auch mich hatte das „Schicksal“ wieder erwischt. Hinter KM 30 machten sich die Waden zum ersten Mal richtig bemerkbar. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich mich an meine Wunschzeit herangelaufen.
Die riesigen Läufermengen in den teilweise engen Straßen von Köln, hatten es auf den ersten 10km kaum ermöglicht, nach Vorgaben zu laufen.
Man ließ sich einfach im großen Feld mittragen. Als dann die Straßen endlich freier wurden, machten die Beine nicht mehr mit. Wadenkrämpfe setzten ein.
Zuerst nur vereinzelt dann permanent. Verhängnisvoll kam in dieser Situation für mich hinzu, dass ich, um eine gute Zeit zulaufen, aus Gewichts- und
Bequemlichkeitsgründen nahezu komplett auf flüssige Eigenverpflegung verzichtet hatte. Auch hatte ich mich nicht richtig informiert, was die Veranstalter des Marathons auf Ihrer „Menüliste“
hatten.
Entsetzt musste ich unterwegs feststellen, dass auf der ganzen Strecke nur Wasser, Tee und Cola angeboten wurden. Nichts Salzhaltiges, was in meiner Situation vielleicht noch hilfreich gewesen
wäre.
Aber es ist eben ein ungeschriebenes Gesetz, dass jeder Läufer für sich und seine Verpflegung selbst verantwortlich ist. Es wäre daher unfair eine Schuld beim
Veranstalter zu suchen.
So musste ich ab KM 35 zuerst die 3:45er Zeit abhaken, und später sogar die Vierstundengrenze passieren lassen. Als meine Zeit bei 4.11 Uhr stehen blieb, war ich hinter der Ziellinie wohl einer der
wenigen Unglücklichen.
Für die letzten 12 km hatte ich nahezu 90 Minuten benötigt. Am meisten
schmerzt jedoch dabei, all die Läufer nun wiedersehen zu müssen, die man noch vor wenigen Kilometern locker überholt hatte.
Noch nie hätte ich nach einem Lauf so gut und frisch ausgesehen wie heute, waren die ersten trösteten Worte meiner Frau. Kein Wunder, wenn man die letzten
Kilometer nur gewandert ist.
Vielen anderen Angekommenen waren dagegen die Spuren des Laufes deutlicher anzusehen, aber sie jubelten wenigstens. Noch bei keinem anderen Marathonlauf sah ich so viele Läufer bereits bei der
Halbdistanz in bedenklichem Zustand. So ist es vielleicht auch zu erklären, dass ich trotz meiner schwachen Zeit, noch einen Platz im Mittelfeld belegte. ( Platz 4882 von 10500 angekommenen
Läufern.)
Und ob es sinnvoll ist einen Marathon in den wärmsten Stunden des Tages (12:00 Uhr) zu starten, sei dahin gestellt.
In ein paar Tagen werde ich mein persönliches Pech vergessen haben und mich nur noch an die vielen positiven Seiten des Köln Marathons erinnern.
Wo erlebt man sonst noch eine solche Stimmung wie in Köln. Dichtgedrängte Menschenmengen, teilweise in 10.er Reihen wie beim Rosenmontagsumzug, verkleidet und mit Fahnen ausgerüstet.
Anfeuerungsrufe und derbe Sprüche an jeder Straßenkreuzung.
Das Durchlaufen von Menschenspalieren, die den Läufern kaum noch Luft zum durchkommen lassen, sind ein einmaliges Erlebnis.
Ergreifender Abschluss der Tour durch Köln in dann das vorbeilaufen am monumentalen Dom. Wie klein erscheint hier der Mensch gegenüber diesem riesigen Bauwerk.
Die letzten Meter über den Rhein werden für die Läufer noch einmal zum Triumphzug. Begeisterungsstürme mobilisieren die letzten Kräfte. Das alkoholfreie Freibier im
Zielraum ist der viele nur das Vorspiel für eine kommende, stürmische „Kölschnacht.“
Die Schuhe werden garantierte nicht an den Nagel gehängt und kommen bestenfalls auf den großen Haufen, wie hier von vielen Läufern auf der Marathonmesse für einen guten Zweck gestiftet.
Hans Pertsch Oktober 2006