Passt schon

Passt schon

 

Es ist Mittagszeit am Neujahrstag im Berchtesgadener Land. Obwohl rund um den weit oben gelegenen Berggasthof noch tiefster Winter ist, herrscht im Gastraum reges Treiben. Nur im Nebenraum ist für uns noch ein kleiner Tisch zu ergattern. Der Rest des Raumes ist für eine Großfamilie eingedeckt. 25 Personen werden scheinbar erwartet. Ein Platz bleibt später frei. Ob es sich dabei um das berühmte schwarze Schaf, das jede Familie hat, handelt, ist nicht bekannt. Langsam füllt sich das festlich gestaltete Gastzimmer. Vier Generationen werden scheinbar erwartet. Edle Lederhosen und feine Dirndl gehören hier in den Bergen noch zur Festtagskleidung.

Die Enkel vertreten die größte Fraktion am ersten Tag des neuen Jahres. Spuren der Nacht sind ihnen äußerlich nicht anzusehen. Langsam schlängelt sich ein alter Benz die kurvenreiche Bergstraße nach oben. Oma und Opa kommen mit Verspätung. Das kunstvolle flechten des Haarzopfes der alten Bäuerin hatte heute morgen wohl etwas länger gedauert. Keiner der Gäste bleibt mehr am Tisch sitzen.

Allen voran springen die Urenkel auf die beiden zu. Dann wird jeder einzelne mit einem Busserl begrüßt. Opa hat es eilig, denn seine erste „Halbe“ beginnt schon die Schaumkrone zu verlieren. Der „Schweinsbraten“ ist traditionell der Essensfavorit bei der Großfamilie. Nach dem Essen lässt einer der Enkel ein Fotoalbum mit echten Hochglanzbildern durch die Runde gehen. Ein Handy ist bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht am Tisch aufgetaucht. Die Unterhaltung findet in dieser Runde noch im persönlichen Gespräch statt. Zwar altmodisch, aber dafür respektvoll. Oder wie sagt man in Bayern. "Passt schon".

 

Hans Pertsch Januar 2020

 

 

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